12. Woche: Unser Atem – zweierlei Gnaden - Hinführung zur Meditation

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12. Woche: Unser Atem – zweierlei Gnaden

Von Woche zu Woche


Zum Staunen ist unser Atmen. Solange wir atmen, leben wir; und wenn wir unseren letzten Atemzug getan haben, sind wir gestorben. Atmen und Leben hängen ganz eng zusammen.
Goethe sagt: „Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: die Luft einziehen, sich ihrer entladen; jenes bedrängt, dieses erfrischt; so wunderbar ist das Leben gemischt. Du danke Gott, wenn er dich preßt, und dank ihm wieder, wenn er dich entläßt"
*.
Die eine Gnade ist das Empfangen. Ich sitze da, ich atme ein und ich atme aus. Ich sitze einfach da. Ich muß nichts tun, um zu atmen. Der Atem kommt und geht – wie von selbst. Natürlich kann ich meinen Atem vorübergehend manipulieren; ich kann hecheln wie nach einem langen, anstrengenden Lauf oder ich kann mein Atmen dehnen. Aber im Grunde atme nicht ich, sondern „ich werde geatmet". Mit jedem Atemzug kommt das Leben zu mir, mit jedem Atemzug empfange ich, was ich zum Leben brauche. Und wenn ich nichts mit meinem Atem mache, dann wird er auch so, wie es im Augenblick für mich gut ist – kurz und schnell oder lang und tief. Weil das Atmen mir gegeben wird und ich es nicht machen kann, haben die Menschen der Bibel gesagt, daß Gott dem Menschen den Atem gibt
**, damit der Mensch lebt. Denn mit dem Einatmen empfange ich – zusammen mit allen Geschöpfen - Leben und Lebenskraft. Atem fließt in mich hinein. Alles dehnt und weitet sich in mir. Ich kann es spüren. Ich werde zum Gefäß aller belebenden, schöpferischen, ja göttlichen Kräfte. Ich bin angeschlossen an die ewigen Kräfte Gottes: „Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, aller Dinge Grund und Leben"***.
Die andere Gnade ist das Ausatmen. Denn ebenso wichtig wie das Einatmen ist das Ausatmen. Mit jedem Ausatmen lasse ich alles Bedrückende und Belastende los. Mit jedem Ausatmen lege ich alle Last und alle Spannungen meines Lebens in Gottes Hand. Ich kann es in den Schultern geradezu spüren: Mit jedem Ausatmen werden sie leicht und locker und Spannungen lösen sich. - Mein Atmen erinnert mich: Ich empfange Leben aus Gottes Hand und lege mein Leben auch wieder zurück in Gottes Hand. Alles Leben hängt am belebenden Odem Gottes, sagt der Beter: „Du sendest  aus Deinen Odem, so werden sie geschaffen"
****. Und es ist nicht zufällig, daß die Bibel das gleiche Wort für den Atem des Menschen und für den göttlichen Geist verwendet.

      

Betrachtung:

Mein Atmen erinnert mich: Ich empfange Leben aus Gottes Hand und ich lege mein Leben auch wieder zurück in Gottes Hand. Unser Atmen erinnert uns in jedem Augenblick daran, daß sich unser Leben zwischen Empfangen und Loslassen bewegt.


Gebet:

Mein Gott,
Ich atme ein und ich atme aus.
Mit jedem Atemzug empfange ich Leben –
Leben wie alle anderen Geschöpfe.

Mit jedem Atemzug empfange ich auch Dich,
Anteil an Dir, am ewigen Leben.

Ich atme ein,
und Du stärkst mich,
Du gibst mir Kraft und Hoffnung.
Ich atme aus,
und ich lege alles in Deine Hände,
was mich bedrängt oder belastet.


Mein Gott,
ich atme  ganz von selbst,
Ich kann mein Atmen nicht machen,
Du läßt mich atmen,
solange ich lebe.
Du bist es, Deine Gnade.  Amen.

Im Schweigen:

Ich atme ein – ich atme aus.
Oder: Jehoschua.
Oder: Maranatha.



_____________________________________

*) Aus Ulla Hahn, Gedichte fürs Gedächtnis, Stuttgart 2001, S.182.
**) 1.Mose 2,7.
***) Evangelisches Gesangbuch Nr. 165,5.
****)
Ps 104,30


 
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